Psychopathen bilden in gewisser Weise einen Gegenpol zu Autisten. Und dies hängt damit zusammen, dass beide zwar eine gestörte Empathie besitzen, dass es aber zwei Arten von Empathie gibt. Bei Psychopathen ist die kognitive Empathie, aber nicht die affektive Empathie (das direkte Mitgefühl gegenüber anderen) ausgeprägt. Die kognitive Empathie ist das bewusste Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, sich selbst "in die Schuhe eines Anderen zu versetzen". Auch Psychopathen besitzen diese Fähigkeit, jedoch bleiben sie emotionell unberührt von der Erkenntnis, die sie durch das Hineinversetzen erlangen. Sie benutzen das Wissen lediglich, um Macht über das Gegenüber zu gewinnen. Ihnen fehlt die Fähigkeit, affektiv zu empfinden und zu reagieren; und sie wollen auch nicht, dass jemand merkt, dass sie kein Mitgefühl besitzen. Eigene Gefühle preiszugeben, Intimität, z.B. beim Sex, macht Psychopathen Angst. Sie setzen sich nicht der Gefahr aus, dass jemand ihre Gefühle durchschauen und sie damit vielleicht beherrschen könnte. Entsprechend sind sie auch unfähig, Eigenschaften wie Gewissen, Erbarmen oder Reue zu entwickeln. Dafür arbeiten sie aber äußerst effektiv und sehr produktiv, da sie keine Zeit mit Skrupeln "vergeuden".
Psychopathen besitzten oft Charme und Charisma, sie sind lässig, selbstsicher und absolut überzeugend im Auftreten und Betrügen. Allerdings, steckt hinter der hellen Fassade immer eine dunkle Seite. Sam Vaknin, selbst ein Psychopath, schreibt in seinem Buch "Malignant Self-love: Narcissism Revisited" über eine Begleitform der Psychopathie - Narzissmus. Nach Vaknin sind Narzissten süchtig nach Selbstbestätigung. Für einen Narzissten heißt es im Grunde: entweder Aufmerksamkeit bekommen oder sterben! Ein Narzisst muss immer das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein, weil er das Gefühl der Wertlosigkeit nicht aushält. Er galubt in seinem Inneren: niemand wird ihn lieben, nur weil er so ist wie er ist.
Die Publizistin Claudia Moscovici, Autorin des Buches "Dangerous Liaisons: How to Recognize and Escape from Psychopathic Seduction", welche sich mehrere Jahre mit Psychopathie beschäftigt hat, ist der Überzeugung, dass für Psychopathen auch Macht wie eine Droge wirkt. Die Kontrolle über Andere gibt den Psychopathen Genuss und Sinn in ihrem Leben. Aber, die Dosis dieser Droge muss ständig erhöht werden, um den gleichen Effekt zu erzielen. Dies liegt immer daran, dass die eigentlich zugrundeliegende Sehnsucht nicht befriedigt wird. Der Reiz, den Psychopathen an sexueller Ausbeutung empfinden, rührt nich von Hingabe sondern von der Unterwerfung her, da sie kaum eine andere Person lieben können, oder wahre tiefe Gefühle besitzen.
Nicht jeder gefährliche Verbrecher muss ein Psychopath sein. Adolf Hitler, zum Beispiel, der für den Massenmord an Millionen Menschen haupt-verantwortlich ist, war laut dem Psychologen Prof. Niels Birbaumer (Tübingen) nur ein paranoider Neurotiker.
Prof. Birbaumer vertritt die Ansicht, dass man die Auswirkungen des Handelns auf Andere erst verstehen kann, nachdem man sie selbst empfindet. Allein zu beobachten, dass jemand leidet, reicht nicht um das Leid mitzufühlen, sondern man muss es sich selbst aktiv vorstellen. Durch MRT-Messungen an psychopathischen Verbrechern gelangen Erkenntnisse zu deren Gefühllosigkeit und scheinbar fehlendem Angstgedächtnis. Demnach haben diese ihr Wissen zwar im Kopf gespeichert, aber kein Gedächtnis für Emotionen - die Erinnerung an Emotionen ist ausgelöscht oder abgespalten, diese können daher auch nicht aktiv empfunden werden. In einer gefährlichen Situation bleibt das Angstzentrum stumm, weil die Konsequenzen nicht betrachtet werden können.
Man geht davon aus, dass Psychopathie aus emotionaler Traumatisierung in früher Kindheit resultiert, d.h. grausame und verstörende Erfahrungen, die nicht verarbeitet werden können (Kleinkinder besitzen noch kein Verständnis für kausale Zusammenhänge) und z.B. mit Todesangst verbunden sind. Die damit verbundenen Gefühle werden, möglicherweise aus einer Art Selbstschutz, aus dem emotionalen Gedächtnis verbannt. Als Risikofaktoren für Psychopathie gelten das Ausgesetztsein gegenüber: emotioneller Grausamkeit, Missbrauch, Vernachlässigung so wie wechselnden Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren.
Ersteres traf auch auf den Serienmörder Richard Kuklinski zu, dessen besonderer Fall zeigt, dass auch ein Psychopath seine ganz persönliche Geschichte und eine, wenn auch tief verborgene, Seele hat. Kuklinski, der nach eigenen Aussagen zwischen 100 und 200 Menschen umgebracht hat, war im Gefängnis bereit, Gespräche mit einem Psychologen zu führen. Seinen Kindheitserinnerungen nach waren seine Eltern lieblos, ohne Anteilnahme und unberechenbar, häufig wurde er grundlos bestraft. Auch andere Kinder verprügelten ihn, bis er sich eines Tages erfolgreich zu wehren begann - mit einer Eisenstange. Später beging er Morde, einfach weil er eine bestimmte Person nicht mochte. Schließlich arbeitete er als Auftragsmörder für die Mafia.
Das Frappierende an seiner Geschichte war allerdings, dass er sich ein Familie aufbaute, für die er, nach allem was man weiß, anscheinend liebevoll sorgte. Er ging auch nur ungern aus dem Haus, vor allem, um Geld zu verdienen - wobei nicht mal seine Frau ahnte, womit er das Geld verdiente. Er beging die meisten seiner Morde, damit es seiner Familie gut ging! Und, noch nicht einmal, als er zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, zeigte er irgendeine Reue für seine Verbrechen. Erst in dem Gespräch mit dem Psychologen wurde ihm klar, dass er damit seiner Familie letztendlich nicht geholfen, sondern sie zerstört hat. Dieses Gespräch wurde gefilmt, und man kann darin auch seine Tränen sehen. Am Ende wollte Kuklinski von dem Psychologen wissen, ob dieser sein gestörtes Verhalten erklären kann. Die Erklärung war in etwa die folgende:
Wenn Eltern sich liebevoll, mit Güte und Anteilnahme zur ihrem Kind verhalten, kann es prosoziale Verhaltensweisen, wie Mitgefühl zu anderen, entwickeln. Manchen Menschen fehlt aus irgendeinem Grund das Gefühl der Angst, und diese wählen später Berufe wie Testpilot oder Bombenentschärfer. Gewalt, wie sie Kuklinski von seinen Eltern erfahren hat, macht es aber für ein Kind unmöglich, stabile liebevolle Beziehungen und emotionale Bindungen aufzubauen. Deswegen wird Liebe durch Hass ersetzt, und es entstehen antisoziale Verhaltensweisen, wie Gewissenlosigkeit, Impulsivität und Gewalttätigkeit. Mitgefühl mit anderen würde Schwäche und eine gefährliche Verletzbarkeit bedeuten. Über das Leid anderer nachzudenken, Vergebung oder Vertrauen zu schenken, bedeutet auch, ihnen Macht über einen selbst zu geben. Psychopathen, aber leider auch viele andere Menschen, mussten lernen, dass andere diese Macht ausnutzen. Daraus kann sich schließlich eine paranoide Störung entwickeln, das heißt, dass man niemandem vertrauen oder vergeben, und niemanden zu nah kommen lassen kann. Wenn das antisoziale und paranoide Verhalten mit Furcht- und Emotionslosigkeit zusammenkommen, ist das Ergebnis ein Verbrecher, der jede Demütigung mit Vergeltung beantwortet - und für den jeder potenziell zum Opfer werden kann.