Religionen beschäftigen sich eigentlich mit dem, was hinter der Natur liegt und für die Naturwissenschaft letztlich unzugänglich ist. Sie beschäftigen sich aber mit dem, was dem Leben erst einen Sinn geben kann. Und mehr noch - es scheint, als ob jede Religion das Ziel hat, Liebe und Frieden unter die Menschen zu bringen. Der Mensch ist offensichtlich auf besonders gute Beziehungen zu anderen Menschen angelegt. Und wenn die Religionen Recht haben, dann ist eine gute Beziehung zu dem Ursprung der Welt, zum Schöpfer, zu Gott, die beste Grundlage für gute Beziehungen zu den Mitmenschen. Ich berufe mich auf Paulus (Römer 14), welcher schrieb, dass derjenige bei Gott anerkannt und bei den Menschen geachtet ist, der im Reich Gottes lebt. Und das bedeutet: »Christus zu dienen in Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist«. Wer wollte bestreiten, dass Gerechtigkeit, Frieden und Freude köstliche Früchte einer edlen Gesinnung sind - ja, auch Früchte des Glaubens, welche im Lebensgarten jedes wahrhaft Gläubigen wachsen? Und wer möchte nicht auch in unserem modernen Leben den Heiligen Geist in sich haben?
Ein neugeborener Mensch mag für diese glücklichmachenden Eigenschaften durchaus empfänglich sein, wenn man ihn unter günstigen Bedingungen aufzieht. Doch, obwohl auch Adam und Eva anfangs in wunderbarer Harmonie lebten, so ist doch durch ihre Untreue zu Gott diese Beziehung kaputtgegangen. Freilich, alles kam durch die "Schlange", die ihnen einredete, Gott würde ihnen etwas vorenthalten. Doch, das zerstörte Vertrauen und die daraus folgende sogenannte "Erbsünde" haben sich anscheinend von Generation zu Generation auf unbewusstem Wege übertragen und stören bis auf den heutigen Tag die Beziehungen zwischen den Menschen. Und so kommt es, dass Gerechtigkeit, Frieden und Freude beileibe nicht die Regel in unseren Beziehungen sind.
Wenn mich jemand schlecht behandelt, finde ich, ist es mein gutes Recht, es ihm "zurückzuzahlen". Von außen betrachtet sieht das aber oft anders aus... Ich befinde mich unwillkürlich im Kampfmodus und reagiere aus diesem heraus, ohne dass mir das überhaupt bewusst ist. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, ist nicht immer besonders klug. Eines glaube ich aber von der christlichen Lehre verstanden zu haben: egal, was es ist und wie klein mein Problem auch sein mag, sollte ich es erst einmal vetrauensvoll mit Gott persönlich durchsprechen!
Lessing sah Religion als Mittel, ganz ähnlich wie es Paulus formulierte, »vor Gott und den Menschen angenehm« zu werden. Und da man normalerweise auch keinen Krieg gegen jemanden führt, der einem angenehm ist, den man mag, sollten Religionen eigentlich auf der ganzen Welt für Frieden sorgen... Leider gibt es in der Praxis hier einige Hürden, wodurch auch religiöse Menschen sich gegenseitig sehr unangenehm sein können, was mitunter bis zum Religionskrieg führt.
»Es strebe von euch um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf'!«
Es gibt wohl viele Wege, um vor den Menschen gut dazustehn - doch, wieviele gibt es, um Gott angenhem zu sein? Und über welche Frage sind sich die Religionen mehr uneins? Wenn wir vor dem Thron Gottes stehen (und nicht Buddha recht hatte, welcher an keinen persönlichen Schöpfer glaubte), dann zählt nicht mehr, was die Menschen von uns gehalten haben, sondern nur noch, was Gott von uns hält. Deswegen ist Religion nicht nur für den Frieden unter den Menschen da, sondern vor allem, damit wir nach dem Bruch zwischen Gott und den ersten Menschen und allen nachfolgenden Generationen Frieden mit Gott schließen können.
Klaus Kinski war vielleicht der wahnsinnigste und zugleich genialste Schauspieler und Regisseur - auf jeden Fall waren alle anderen neben ihm nur Statisten. War Klaus Kinski - ein Narzisst, für den es heißt: entweder Aufmerksamkeit bekommen oder sterben! - den Menschen angenehm? Und war er vor Gott angenehm? Ich denke, er war ein Sünder, der nicht versucht hat, sich als etwas anderes darzustellen - so wie wir.
Einmal kam jemand, der Christ war, während einer Veranstaltung auf die Bühne, bei der Kinski 30 Schreibmaschinenseiten Text auswendig rezitierte und ständig von Zwischenrufen gestört wurde. Cholerisch, wie Kinski war, beschimpfte er die Störer als Gesindel, welches die Schnauze halten soll, damit er seine Interpretation der Lebensgeschichte von Jesus Christus vortragen konnte. Prinzipientreu aber ohne Veständnis für Kinski wies dieser Christ ihn darauf hin, dass Jesus duldsam und einfühlend die Menschen zu überzeugen versuchte, auch wenn sie ihm widersprachen. Woraufhin Kinski entgegnete: "Er hat nicht nur gesagt, halt deine Schnauze, sondern er hat eine Peitsche genommen und hat die ihm in die Fresse gehauen!" Dies war der typische Fall, wo jemand einen Splitter im Auge des anderen sieht, und mit brachialer Gewalt versucht diesen herauszuziehen. Denn, auch der oberlehrerhafte Christ hatte vergessen, was Jesus von seinen Jüngern erwartete: »Daran aber soll man euch erkennen, dass ihr einander lieb habt.«
In einem Interview wurde Kinski gefragt, wie es denn zu vereinbaren sei, dass er (nicht nur) in seinen Filmen stets die negativen Charaktere verkörpert und auf der anderen Seite die Botschaft von dem (guten) Erlöser Jesus Christus verbreiten will? Er beantwortete diese Frage indirekt: "Jesus sagt: selbst Prostituierte und Zuchthäusler sind besser als irgendein Gerechter, Frommer, der nicht verzeihen kann." Kinski war durchaus über seine charakterlichen Schwächen im Bilde - er hat sogar seine Tochter Pola derartig missbraucht, dass sie regelrecht daran kaputtgegangen ist, während er in der Öffentlichkeit erzählte, mit seiner anderen Tochter Nastassia verkehrt zu haben. Doch, etwas regte ihn immer auf: Er wollte den Menschen etwas Wertvolles geben. Aber, statt Kinskis Gabe zu nehmen, nahmen die Menschen lieber seine Fehler wahr. Auch, wenn es bei Kinski genug Grund zur Skepsis gab, musste doch schon Jesus feststellen: »Das Licht kam in die Welt, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.« Das Stück Holz im Auge, das den Blick des Beobachtenden verfinstert; der zum Schwert erhobene Zeigefinger; das Recht, den ersten Stein zu werfen.
Viele Zeitgenossen fragen sich, was ist eigentlich los mit unserer Gesellschaft? Warum sind z.B. gerade die Deutschen so tolerant, ja geradezu unterwürfig Migranten gegenüber? Man kommt dann sehr schnell darauf, dass wir aufgrund der 12 dunklen Jahre unserer Geschichte einen Schuldkomplex anerzogen bekommen haben - zumindest wird dies von Nationalisten oft beklagt. Der wirkliche Grund, warum nicht nur das deutsche, sondern z.B. auch das schwedische Volk sich scheinbar so schuldig fühlen, dass sie sich selbst geradezu zu den Dienern anderer Völker machen, mag jedoch noch wesentlich tiefer liegen.
Der Philosoph Dr. Hauke Ritz vertritt den interessanten Standpunkt, dass die "westlichen" Staaten durch einen falsch verstandenen protestantischen Glauben geprägt sind. Es geht hier wohlgemerkt nicht um das Evangelium, dem Luther seine ursprüngliche Geltung zurückgeben wollte. Natürlich sollen wir unseren Nächsten lieben wie uns selbst und ein moralisches Leben führen, wie Jesus es gelehrt hat - bis wir merken, dass wir eigentlich mehr kleine Egoisten sind, die nie an diese Messlatte herankommen. Wenn aber Protestanten nur bis zu dem Punkt gelangen, wo sie sich als schuldige Sünder begreifen, dann führe das dazu, dass man ihnen ein schlechtes Gewissen machen kann. In der Tat exemplarisch dafür sind die rührseligen und zugleich emotional leeren Reden Angela Merkels: »Wer das Leid derjenigen sieht, die ihre Heimat hinter sich lassen und sich anderswo Schutz und Zukunft erhoffen, der weiß, dass es letztlich nur eine Lösung gibt: wir müssen den Ursachen von Flucht und Vertreibung entgegenwirken«. Jenes schlechte Gewissen gehe soweit, bis das betroffene Volk es nicht mehr wagt, seinen Stolz oder sein Eigentum gegen andere Menschen zu verteidigen, die auch einen Anspruch darauf erheben. Katholiken haben dagegen die Möglichkeit zu beichten und somit ihre Schuld ganz konkret an jemand anderen abzugeben, oder zumindest Buße zu tun.
Unbestreitbar wirkt nicht vergebene Schuld wie eine Last, die man unmerklich mit sich herumträgt - sie beeinträchtigt und zerdrückt letztlich den, der sie auf sich geladen hat. Das latente Schuldgefühl kann andererseits leicht umschlagen in Selbstgerechtigkeit, die keine berechtigte Kritik mehr zulässt. Weil man ständig unter dem Zwang steht besser zu sein - besser als man eigentlich ist - wenn man nicht gelernt hat, Vergebung zu suchen. Am Ende muss man sich von so einem Zwang auch mal Erleichterung verschaffen und Schuld auf andere projezieren - so erklärt sich dann auch der häufige Argwohn gegenüber Kinski, so wie vielen Menschen, die eigentlich nur etwas Gutes tun wollten.
Es ist heute leider so, dass die Führer der großen Kirchen diejenigen Christen angreifen, die auf Jesus Christus hinweisen als den, der Menschen von Schuld befreien kann. Der schuldbewusste Zwang zur politischen Korrektheit, verhindert damit selbst die Möglichkeit seiner eigenen Auflösung. Unter der vorherrschenden humanistischen Ideologie ist die Unterstellung irgendeiner Schuld eine Verletzung der Würde eines anderen Menschen. Man muss für jede Tat Verständnis haben. Das geht bei manchen so weit, dass sie sich selbst die Schuld geben, wenn sie wegen der Tat eines anderen wütend sind: denn jeder sei selbst dafür verantwortlich, wie er sich fühlt! Man soll demnach nicht nur den anderen mehr lieben als sich selbst, sondern jeglichen gesunden Menschenverstand aufgeben. Der scheinbare Vorteil dieser Lebensweise ist, dass man sich unabhängig von dem anderen fühlt - weil jeglicher Hass ausgeschlossen ist. Allerdings ist dies auch das Ende jeder natürlichen Beziehung. Und, es ist durchaus möglich, jemanden zu lieben, auch wenn man seine Fehler hasst.
Jesaja sagte 6 Jahrhunderte vor Jesus voraus, dass wir Ihn für einen halten würden, der zu Recht bestraft wird, weil er Gottes Vorschriften missachtet hat: »Wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt; doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen.« Die Anklage der Pharisäer gegen Jesus war, dass er sich selbst für Gott erklärt hat, und das darf kein Mensch! Der Schritt ist zu gewaltig, jemanden als Gott anzusehen. Und das selbe Problem haben heute die studierten Theologen - deswegen versuchen sie, Jesus zu einem einfachen Menschen zu machen. Und wenn Er heute wieder käme mit dem gleichen göttlichen Anspruch, würden sie Ihn entweder für verrückt erklären oder verklagen. Paulus sagte über Jesus, er wurde "für uns zur Sünde gemacht". Weil es letztlich keine andere Möglichkeit gibt, dass jeder Mensch Frieden mit Gott schließen kann - weil man nicht gerecht wird, wenn man alles nach Vorschrift tut und dann auf den herabschaut, der einen Fehler gemacht hat.
»Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine Wunden ist uns Heilung geworden.« Wenn es stimmt, was die Evangelien berichten, dann ist Gott selbst Mensch geworden, zu einem Wesen aus Fleisch und Blut, verletzlich und sterblich. Er ist zu uns auf die Erde gekommen. Nicht, um uns für unsere Sünden zu bestrafen - sondern, um sich selbst zu bestrafen.
Das Wesen Gottes, das wir darin erkennen können, scheint so ganz anders als die Vorstellungen, die wir ansonsten von ihm haben! Und auch die Frage "warum lässt der liebe Gott Leiden zu, wenn er angeblich so allmächtig ist?" erscheint so in einem anderen Licht. Viele Menschen werden in ihrem Leben brutal angegriffen - manche durch Naturkatastrophen, andere durch Menschen, die sie angreifen, fertigmachen, oder in den Tod treiben wollen. Doch Gott - welcher, wenn es ihn gibt, auch der Urheber des gesamten Universums ist - ist zu den Menschen, gerade die wir uns oft als Opfer begreifen, gekommen und hat sich von uns angreifen und töten lassen. Im Abendmahl wiederholen Christen dies bis auf den heutigen Tag, in dem sie symbolisch Gottes menschlichen Körper essen und sein Blut trinken. Wenn Gott wirklich Liebe ist - die Liebe ist langmütig und freundlich, sie trägt das Böse nicht nach, sondern freut sich an dem Guten, sie eifert nicht nach ihrem Vorteil; sie nimmt alles auf sich und erträgt alles., dann darf man alles auf Ihn werfen...! Viele Gelehrte fragen z.B., zu welcher Zeit, in welchem Kontext,... die einzelnen Texte in der Bibel verfasst wurden und in welchem Sinne sie zu interpretieren sind? Was aber, wenn die Bibel die "Worte Gottes" enthält? Wenn sie ein »Liebesbrief« von Gott an uns ist? ... Und, wenn dort die Antworten auch auf unsere heutigen Fragen stehen?