Während der 70. UN-Vollversammlung schlug Rußlands Präsident Wladimir Putin am 28. September 2015 eine grundlegend neue Strategie vor, um den Klimawandel aufzuhalten. Statt Ansätze mit nur begrenztem Effekt zu verfolgen, wie z.B. Quoten für schädliche Emissionen festzulegen, sollten wir neue Technologien einführen, die von der Natur inspiriert sind und im Einklang mit ihr stehen. Diesen interessanten Gedanken möchte ich hier aufgreifen. Und ich denke, wir können sogar noch darüber hinausgehen, was Putin ein "Gleichgewicht zwischen der Biosphäre und der Technosphäre" nannte. Denn sowohl die Biosphäre als auch unsere Technologie verändern sich ständig.
In den letzten 500 Mio. Jahren, also seit der Kambrischen "Artenexplosion", betrug der CO2-Anteil in der Luft meist mehr als das 10- oder sogar 20-fache des heutigen Wertes. Die Auswirkungen des steigenden CO2-Gehalts auf das Klima und den Meeresspiegel sind heute noch nicht sicher vorhersagbar.[1] Aber Eines ist sicher: allein auf eine Reduktion von "Treibhausgasen" zu setzen, würde die Menschen recht schutzlos lassen. Es besteht kein Zweifel, dass auf jeden Fall ein natürlicher Anstieg des Meeres stattfindet, und dass die betroffenen Regionen, genau wie vor Sturmfluten und anderen Naturkatastrophen, geschützt werden müssen.
Dies kann nur durch technische Maßnahmen geschehen, denn das Meer, die Atmosphäre und Geosphäre sind einem unaufhaltsamen Wandel unterworfen, und wir sind ihnen ausgeliefert. Seit sich Leben auf der Erde entwickelte, ist es deswegen bestrebt, sich unempfindlich gegen Umwelteinflüsse zu machen. Als Beispiel könnte man das Speichern von Wasser in Trockenheits-toleranten Pflanzen oder die Aufrechterhaltung einer konstanten Körpertemperatur bei Tieren nennen - aber auch den Bau von Wohnhäusern. Jeder Organismus besitzt dafür seine eigene "Technologie" - und so ist die Technosphäre in gewisser Weise schon Teil der Biosphäre. Wenn wir intelligent sein wollen, sollten wir aber nicht nur unseren Organismus vor Umwelteinflüssen schützen, sondern darüber hinaus auch die Biosphäre in einer Weise beeinflussen, so dass wir besser in ihr leben können. Schon seit es Leben gibt, strebt es weg vom thermodynamischen Gleichgewicht, welches Stillstand und letztlich Tod bedeutet, sondern hin zu höheren Umsätzen von Energie und Stoffen. Können wir dieses Ziel der Natur auch mit userer Technologie verwirklichen?
Aus Sedimentkernen lässt sich herauslesen, dass seit etwa 3 Mio. Jahren die Tendenz des Erdklimas zugenommen hat, in bestimmten Abständen durch Eiszeiten zu gehen. Da das Wasser der Ozeane in Kilometer-dicken Eispanzern gebunden wurde, senkte sich während der letzten Eiszeit (wissenschaftlich ausgedrückt: Kaltzeit) der Meeresspiegel um mehr als 120 m. Nachdem sich das Klima wieder erholt hatte und das meiste Eis abgetaut war, erreichten die Temperaturen vor etwa 8000 Jahren ein Maximum. Damals herrschte, im Vergleich zu heute, ein deutlich feuchteres Klima. Es gibt z.B. Anzeichen für ganzjährige Flüsse in der Sahara und anderen heutigen Wüsten. Auch Felszeichnungen aus der Sahara zeigen zahlreiche Großtierarten wie Giraffen, Elefanten oder Flusspferde. Damals war den Menschen die Viehhaltung in diesen Gebieten möglich, im Gegensatz zu heute.
Seit dem sind die Temperaturen im Mittel um ein halbes Grad gefallen. Eine viel unangenehmere Begleiterscheinung war, dass das Klima deutlich trockener wurde und sich etwa ab 3000 Jahren vor Christus die heutigen Wüstengebiete ausbreiteten. Viele Bewohner mussten ihre Lebensräume verlassen und sammelten sich in den Flusstälern von Nil und Niger, Euphrat und Tigris, oder am Indus im heutigen Pakistan. Jahrhunderte lang andauernde Dürreperioden lösten immer wieder Völkerwanderungen aus. Diese führten zuerst zur Zerstörung des Akkadischen Reichs in Mesopotamien. Später führte die Trockenheit in der zentralasiatischen Heimat der Hunnen zu deren Vorstoß auf das Römische Reich.
Wie wir heute erleben müssen, können auch Kriege und wirtschaftliche Probleme zu massiven Völkerwanderungen führen. Und diese Kriege werden zwar von Sektierern begonnen, entwickeln sich aber zuvor auf dem Nährboden wirtschaftlicher Probleme. Betroffen sind auch heute in erster Linie strukturschwache Wüstenregionen. Vor allem die Wasserversorgung ist ein kritischer Faktor dafür, ob Menschen einen Ort bewohnen können oder fliehen müssen. Frühere Völkerwanderungen waren zwangsläufig, weil die Ursachen nicht beeinflussbar waren. Heutige Völkerwanderungen haben Ursachen, die entweder von Menschen gemacht wurden oder durch menschliche Technologie beeinflussbar sind. Auf den zweiten Fall soll in Folgendem genauer eingegangen werden.
Der Gesichtspunkt, welcher heute im Nahen Osten von grundlegender Bedeutung ist, besteht in der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, d.h. in der Herstellung von Frieden und Ordnung. Der bekannte Ansatz dafür besteht in der militärischen Eroberung des Landes und der anschließenden Gewaltherrschaft. Die Entwicklung des Landes liegt dann in den Händen des herrschenden Regimes. Ein Beispiel dafür ist die Machtübernahme durch die Militärs in Ägypten, welche nun ihre Machtposition für die Entwicklung des Landes nutzen: allem voran die Erweiterung des Suez-Kanals. Etwas Ähnliches sollte auch für andere Teile Nordafrikas und des Nahen Ostens möglich sein - wenn auch nur als eine Grundlage für die Entwicklung hin zu einer Gemeinschaft von Menschen, die friedlich mit ihren verschiedenen Ansichten umgehen. Aus dem Folgenden wird auch deutlich werden, wie die entwickelte westliche Gesellschaft, wenn sie dies wirklich will, gezielt Anreize für Regime zu einer solchen Entwicklung geben kann. Konkret, in dem jene ihr Land, statt mit modernen Waffen, mit ziviler Technik menschenfreundlicher machen und auf diesem Wege ihr Volk immer weniger fürchten müssen. Der Grund dafür ist recht simpel: zufriedene Menschen lassen sich nicht einfach gegen eine bestimmte Gruppe aufhetzen.
In Nordafrika, Syrien und andern Gebieten könnte der Mangel an Trinkwasser zunächst durch den Bau von Kraftwerken und Meerwasser-Entsalzungsanlagen behoben werden. Der Energieaufwand für einen Kubikmeter Trinkwasser liegt bei 3 bis 9 kWh. D.h., ein Kraftwerk liefert die Energie für bis zu einer halben Million Kubikmeter pro Stunde - immerhin fast die Hälfte des im Mittel den Euphrat herunterfließenden Wassers. Die entsprechenden Kosten von etwa einer halben Milliarde Euro pro Jahr fallen im Vergleich zu denen eines Krieges kaum ins Gewicht. Die genannten Zahlen dienen nur als Anhaltspunkte, und natürlich stellen sich im Detail etliche Fragen, die entprechend der örtlichen Gegebenheiten beantwortet werden müssen. Zur Frage der eingesetzten Energieform lässt sich Folgendes sagen: auch wenn konventionelle Kraftwerke kostengünstiger und verlässlicher sind, wäre es durchaus möglich auch Windenergie einzusetzen. Bei vorhandenem Wind würde das produzierte Trinkwasser in ein Reservoir gepumpt.
Das Brauchwasser kann, nachdem es durch Kläranlagen gegangen ist, für die Bewässerung von Feldern weitergenutzt werden. Für die Schaffung von künstlichen Gewässern oder gar ein feuchteres Klima sind diese Möglichkeiten aber nicht ausreichend. In einem großen See befinden sich Hunderte Milliarden Kubikmeter Wasser, d.h., allein das Auffüllen mit entsalztem Meerwasser würde Jahrhunderte dauern. Und auch die Nutzung des Wassers größerer Flüsse stößt an ihre Grenzen. Beispielsweise die ständig zunehmende Wasserentnahme aus dem Euphrat, der u.a. durch Syrien fließt, hat zu nachhaltigen Veränderungen wie dem nahezu vollständigen Austrocknen des Marschlands von Mesopotamien geführt.
Wenn man also nicht eine große Anzahl von Kraftwerken bauen will, bleibt schließlich noch die Möglichkeit, Wasser aus Gegenden mit großen Wasservorkommen in trockene Gebiete zu leiten. So fließen z.B. im Industal oder im Kongobecken 10 bzw. 100 mal die Wassermenge des Euphrat ins Meer. Die Wasserumleitung böte darüber hinaus die wertvolle Möglichkeit Hochwasserspitzen abzumildern.
Mit dem Projekt African Pass soll Wasser aus Zentralafrika bis in den Westen Ägyptens an der Grenze zu Libyen gebracht werden. Entlang des African-Pass-Korridors sollen dann wie auf einer Perlenkette Städte gegründet werden - so entstünde parallel zum Nil ein weiteres "Siedlungstal", in welchem sich Menschen sammeln. Ähnlich wie das Blatt einer Pflanze oder der Körper eines Menschen von verästelten Adern mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird, so dass das gesamte Volumen des Körpers erreicht wird - ebenso kann auch einer sonst trockenen Landschaft Leben eingehaucht werden.
Durch den African-Pass-Kanal könnte die unter dem Meeresspiegel liegende Qattara-Senke mit Süßwasser gefüllt werden und einen großen See bilden. Ein ähnliches Projekt Namens Transaqua soll überschüssiges Wasser aus dem Kongo in einen Kanal bis zum Tschadsee leiten. Der Tschadsee ist in den letzten 50 Jahren um 95 Prozent geschrumpft. Es gibt kaum noch Fische, die Felder ringsum verdorren, und aufgrund der Massenverarmung wandern die Menschen ab. Der Präsident des Niger, Mahamadou Issofou, wies auf der Klimakonferenz in Paris 2015 wehement auf die Notwendigkeit hin, den Tschadsee zu re-vitalisieren: «Es ist kein Zufall, dass Boko Haram sich ursprünglich vom Tschadsee her ausgebreitet hat.» Durch die Wiederauffüllung des Tschadsees sowie den Bau von Städten entlang neugeschaffener Kanäle und Seen könnten große Gebiete im Sahel und der Sahara entwickelt werden.
Das Wasser könnte weiterhin vom Tschadsee bis nach Libyen geleitet werden. Für das Hochpumpem einer Wassermenge, die dem Euphrat entsprechen würde, beginnend von einer Höhe von etwa 300 m bis zur Wasserscheide bei etwa 600 m, ist wiederum die Energie eines großen bzw. mehrerer kleiner Kraftwerke notwendig. Ein Teil der Energie könnte in Wasserkraftwerken auf der anderen Seite wiedergewonnen werden. Schließlich könnte auch vom Niger in Mali Wasser in die Algerische Sahara geleitet werden, wobei hier der Höhenunterschied nicht viel mehr als 100 m beträgt.
In der Region des durch den Assuan-Staudamm angestauten Nasser-Sees gibt es heutzutage wieder Regen. So beeinflussen künstlich geschaffene Großseen mit angeschlossenen Bewässerungssystemen das lokale Klima. Es gibt zwar seit jeher selbst mitten in der Sahara gelegentlich Regen. In der langen Zwischenzeit vertrocknen die Pflanzen jedoch. Es kann nur dann sich wieder eine Vegetation ausbilden und der Desertifikation entgegengewirkt werden, wenn in einem großen Teil des Jahres für ein feuchtes Klima gesorgt ist. Bäume und Sträucher spenden Schatten, speichern Wasser und geben es wieder ab, was die Luft befeuchtet und kühlt, und tragen so zu einem milderen Klima bei. Sie halten auch den Boden fest und bieten Schutz gegen Sandstürme. Mit der Zeit bildet sich fruchtbarer Boden, welcher schließlich die Wüste bedeckt. Im jetzigen Zustand gibt es nur Oasen, die von der Wüste eingeschlossen und ständig "belagert" werden. Das Ziel ist aber, dass die Wüste von fruchtbarem Land "umzingelt" und schließlich auf "Sand-Oasen" zurückgedrängt wird.
Unter den Wüsten befinden sich noch heute Reste der eiszeitlichen Wasservorkommen. Diese können zusätzlich zur Wasserumleitung genutzt werden, um den beschriebenen Transformationsprozess anzustoßen.
Wie kann der Sandboden schließlich in Muttererde verwandelt werden? Vor allem im Amazonasbecken sind sog. anthropogene Böden anzutreffen, genannt Terra preta (schwarze Erde). Diesem Boden wurden verschiedene Bestandteile von Menschen hinzugefügt, die ihn zur fruchtbarsten Bodenart überhaupt machen: Pflanzenkohle, Fäkalien, Kompost, Tonscherben oder auch Knochen bzw. Fischgräten. Durch die Kohle mit ihrer großen inneren Oberfläche kann der Boden ein Vielfaches an Nährstoffen im Vergleich mit anderen Böden speichern. Das organische Material beherrbergt Bakterien und Pilze. Durch Vergärung ist es auch möglich, dem Gemisch den unangenehmen Geruch zu nehmen. Somit könnten separierte Abwässer menschlicher Siedlungen zu einem landwirtschaftlichen Rohstoff werden.
Wie wir gesehen haben, ist die Grundlage für diese Transformation, Energie, die passende Technologie und ein richtiges Verständnis von den Prozessen, welche auf der Erdoberfläche ablaufen. Und dieses Verständnis ist heute alles andere als vollständig. Wenn Biologen beispielsweise den Stoffwechsel der Pflanzen verstanden haben, wie sie Wasser und Salze aufnehmen und abgeben, und wie dies in den Erbanlagen kodiert ist - dann wäre ein nächster Schritt, Pflanzen zu züchten, die auch Salzwasser aufnehmen und das Salz über die Blätter wieder abscheiden oder gar in Biomasse umwandeln. Mit so einem fundamentalen Schritt würden wir den Pflanzen zu einer neuen "Technologie" verhelfen. Dann wäre die Transformation der Wüste zu fruchtbarem Land auch mit Hilfe von Salzwasser möglich.
Am Ende dieser Transformation wäre annähernd eine Biosphäre wiederhergestellt, wie sie am Beginn unserer Warmzeit vor 8000 - 6000 Jahren, vermutlich in Folge eines feuchteren Erdklimas, bestand. Diese Transformation wird Generationen dauern - aber deutlich kürzer als die natürlichen Perioden der Erdgeschichte sein. Denn, was die Natur zufällig erschuf, erschaffen wir willentlich. Die Generationen von Afrikanern, Europäern und Asiaten, ob Christen, Moslems oder Kommunisten, welche an diesem Projekt arbeiten, werden Teil des Organismus "Erde" werden, dessen Biosphäre und Technosphäre ein harmonisches Ganzes bilden.
»Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren.
Was sie willenlos ist, sei du es wollend - das ist's!«
Friedrich Schiller»Wenn der Sturm wütet und der Schiffbruch des Staates droht, können wir nichts Würdigeres tun, als den Anker unser friedlichen Studien in den Grund der Ewigkeit zu senken.« Johannes Kepler
Anmerkungen:
In der Wüste wird es Nachts deutlich kälter, und Feuchtigkeit in der Luft kondensiert. Es besteht der Vorschlag, aus der Luftfeuchtigkeit durch künstliche Kondensation Trinkwasser zu gewinnen. Abgesehen von dem enormen technischen Aufwand und der nur begrenzt vorhandenen Feuchtigkeit (die rel. Luftfeuchtigkeit liegt in der Sahara bei etwa 20%), würden sich daraus jedoch einige Nachteile ergeben. Wenn man der Luft an einem Ort Feuchtigkeit entnimmt, dann kann sie die Feuchtigkeit nicht mehr an einem anderen Ort in Form von Niederschlag abgeben. Es ist also keine so gute Idee, die Wüstenluft auszutrocknen. Dadurch sinkt außerdem ihre Wärmekapazität, und es kommt zu noch größeren Temperaturschwankungen. Weiterhin ist zu bedenken, dass eine rel. Luftfeuchtigkeit von weniger als 30% für uns Menschen unangenehm ist und trockene Haut sowie Durst hervorruft. Das Luftsättigungsdefizit ist in der Sahara so hoch, dass die Wasserverdunstungsrate über 6000 mm im Jahr betragen kann. Deswegen sollte man die Luftfeuchte besser erhöhen, was auch dem Wachstum der Pflanzen zugutekommt. Das sind im Grunde bekannte physikalische Phänomene. Und ich will damit nur sagen, dass man hier, wie bei allem, vorsichtig sein sollte. Schließlich kann auch ein Doktor seinem Patienten Schaden zufügen oder ihn sogar umbringen - auch wenn er in guter Absicht handelt. Eine Operation hat immer Risiken, ist aber manchmal auch notwendig, wenn man nicht sterben oder verkrüppelt sein will. Darum sage ich: wir sollten wissen, was wir tun!